
2006 im Kafi Schoffel in Zürich mit einer Freundin. Herbst war’s. Wenigstens in der Erinnerung. Aber Herbst war’s, strahlend früher Herbst muss es gewesen sein. Sicher war noch ein Marroni in der Manteltasche.
Irgendwann kamen zwei junge Frauen auf den Tisch neben uns zu. Haben die Jacken ausgezogen. Sich gemütlich aus den Schälen gewickelt. Die Taschen neben sich auf die Sitzbank gestellt. Bestellten zwei Latte Macc… Die Tasche. Die Tasche auf der Sitzbank!
Sie war so warm und natürlich, chic und so hinreissend alternativ, dass ich innerlich komplett hinüberfiel. Und als ich später mit meinem kalten Marroni nach Hause ging war klar, dass ich so eine Tasche finden muss, dass ich DIESE Tasche finden muss. Die Buchstaben LV auf der Tasche waren von irgend so einer Marke. Soviel wusste ich.
10 Jahre ist es her, dass ich mich das erste Mal mit Luxustaschen auseinandergesetzt hab. Der Auslöser war das grosse Modell der Noé in Monogram Canvas von Louis Vuitton.
Nachdem Gaston-Louis Vuitton von einem Champagner-Hersteller gebeten wurde, eine robuste und stilvolle Tasche zu entwickeln, in der er fünf Flaschen mit der prickelnden Flüssigkeit transportieren könnte, kreierte Gaston-Louis das klassische Design der Noé. Das war im Jahre 1932.
louisvuitton.com
Sein Monogramm ikonisch. Geliebt oder gehasst. Dank der Fälschungsindustrie zeitweise haarscharf an der Grenze zum Overload und zum Kitsch. Und trotz dieser grenzenlosen Industrie gehört Louis Vuitton zu jenen Häusern – und das vielleicht nur neben Chanel und Hermès – in die es sich immer zu investieren lohnt. Wenn man denn möchte. Louis Vuitton wird nicht kippen, egal wie gelnägelig1 und unverschämt ihr kratzt. Und ja es gibt sie und es gibt sie beiderlei Geschlechts, die penetranten Vuitton Huren. Und es gibt eben auch sie, die Hasser, die meist männlichen. Hässig werden die fast und leisten sich Meinungen über die Trägerinnen, die so langweilig und billig sind wie die gefälschten Speedies ihrer Cousinen.
Aber reagieren allein reicht ja dann immer nie. Erklärungen und sogar Rechtfertigungen werden herausgefordert. Immer anstrengender wurde mir das und irgendwann zu blöd. Ich gehöre nämlich zu einer weiteren Louis Vuitton Gruppe. Zur Geniesserngruppe. Ich geniesse eine Geschichte, ich geniesse Klassiker und vorallem geniesse ich Quali-fucking-tät. Vor drei Jahren hab ich aufgehört, meine Vuitton Tasche zu tragen. Wenn man die Leute damit so aufregt…
Aber heute gibt es ja Michael Kors, man kann es sich im Grunde also wieder leisten. Ich kann mir gut vorstellen, es selbst wieder zu tun. Vielleicht in ein paar Jahren, vielleicht erst mit fünfzig. Aber nicht meine Noé. Denn ich möchte sie verkaufen.


Die Noé ist nicht mehr die aus dem Kafi Schoffel. Nach der ersten bin ich umgestiegen auf das kleine Modell. Von Canvas zu Epi-Leder2 und vom Epi-Leder zu einer in Damier Ebène3. Ich hab sie alle irgendwann verkauft. Bis auf die Damier Ebène. Der Damier (Schachbrett), Print übrigens, entworfen 1888 von Luigi persönlich, wurde damals kreiert um Nachahmern vorzubeugen, mit denen er bereits im 19ten Jahrhundert zu kämpfen hatte.
Ich habe seit zwei Jahren einen Grund, sie zu verkaufen. Sie ist mir zu gross heute. Nicht vom Platz her, ihr Platz ist geil, doch an mir fühlt sie sich überlegen an. Es wäre ein Machtkampf und ich will nicht kämpfen, zuviel Respekt.
Ich seh sie aber gerne auf dem Regal, meine letzte Noé. Und statt sie zu tragen nehm ich sie mir manchmal runter und schau sie eine Weile an. Ein Fest von allen Seiten! Das Material und die Verarbeitung sind berauschend makellos, robust und zuverlässig. Diese Tasche ist ein Meisterwerk.


Ein Meisterwerk ist sie nicht wegen Form oder Funktionalität, sondern weil das Stück in zwanzig Jahren immer noch unsterblich sein wird. Diese Tasche ist elf Jahre alt und sieben davon in meinem Besitz.
Schwächen? Das Futter vielleicht, aber ich versteh die Wahl. Ein grober Leinenstoff in einem angenehm dreckigen Rot ist’s, der der Tasche etwas sehr abenteurliches gibt. Die Flecken, die man darauf irgendwann ein bisschen sehen wird, könnten erstens grösstenteils verhindert werden, davon kann man zweitens das Gröbste reinigen und das Innere deiner Tasche geht schliesslich und drittens nicht mal dich selbst gross was an!


Irgendwas hat einfach gefehlt, um die Trennung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Das Geld ist nun der Anreiz und macht den eigentlichen Grund zu einem befriedigendem. Und je fertiger ich mit diesem Post werde, umso mehr freu ich mich für die Person, die sie nach mir weitertragen wird.
So etwas wie im Kafi Schoffel ist mir übrigens nie wieder passiert. Heutzutage passieren solche Liebesgeschichten online. Wo sonst. Ist auch schön. Aber ein süsses kaltes Marroni würd ich deswegen jetzt nie in meiner Manteltasche vergessen.
Tschäse, schöne Noé!

1 Ich hab nichts gegen Gelnägel. Der war einfach so verdammt einfach.
2 Die schwarze Epi Noé ist auf meinem ersten Profilbild verewigt, was mich grad ungemein beglückend beruhigt.
3 Meine Noé wurde 2005 für eine Kundin spezialangefertigt. Die Kombination Noé/Damier Ebène ist dementsprechend selten.