Stoffwechsel

Stoffwechsel ist in jeglicher Hinsicht meiner Grossmutter gewidmet, die heute Geburtstag feiert. Den irgendwie grandiosesten bisher.

Stoffwechsel ist in jeglicher Hinsicht meiner Grossmutter gewidmet, die heute Geburtstag feiert. Den irgendwie grandiosesten bisher.

Ich hab letztens (ist schon wieder viel zu lange her), mit ihr telefoniert.
Dabei hing ich wie ein halbgefüllter Sandsack in meinem Küchenstuhl, nachdem ich völlig zu unrecht verkatert durch den Tag gekrochen bin und ungeduldig versucht hab auszusehen, als ob ich was tun würde ausser kriechen und auf die Uhr schauen. Ich fühlte mich sooo…
Da wollte sie gerade etwas sagen, die Grossmutter, vergass aber, was es war, worauf sie gesagt hat: (und das muss man sich jetzt echt geben)

„Ja weisch, ich wird au langsam alt.“

Ich konnte nicht mehr! Ich musste so fest lachen, dass ich fast von meinem Stuhl gefallen wäre.
Ich hab so einen Spruch noch NIE von ihr gehört und wurde gleichzeitig so ertappt von ihm (ich sass nach dem Lachflash plötzlich kerzengerade im Stuhl), so überrascht von ihm (ja, jetzt wo du es sagst), und so belustigt von ihm (JETZT?! erst kommst du mit sowas?!) Ich fands genial. Sie lachte mit.

Ich meine, sind wir ehrlich, ja? An diesem Tag war so ziemlich jeder zweite Gedanke der sich in meinen trägen Kopf drängte: Gott, fühl ich mich aaaaalt!
Faktisch sieht’s so aus: Im Moment werde ich älter (du auch, bild dir nichts ein), aber meine Grossmutter wird tatsächlich „langsam“ alt.
Mit alt mein ich nicht alt… also doch, aber alt klingt einfach alt und alt klingt echt nicht gut. Ich mags nicht. Und wenn ich jetzt auch noch sag, sie wird SEHR alt, klingt das einfach nur falsch, oder nicht? Obwohl ich bei dieser Aussage im Grunde ja fast vor enkel’schem Stolz platze.

Ausser enkel’schem Stolz hab ich auch das klassische Enkelsyndrom. Irgendwie meld ich mich einfach viel zu selten bei ihr und bin mir dessen zwar voll bewusst, aber leider fast komplett ausser Stande, daran etwas zu ändern. Dabei sind Gespräche mit ihr meistens genau so lustig und bereichernd wie eben dieses.

Ihr Geburtstag steht also wiedermal an.
Was schenkt man denn da noch?! Darüber denk ich seit Jahren mehr oder weniger frustriert nach. Was kann man noch wollen? (ausser, sagen wir mal, Fürstenromane) Man will ja nicht mehr wirklich neue Sachen anschaffen (ausser, sagen wir mal, ab und zu ein neues Blüschen, ein neues Pullöverchen, ein Paar Pantöffelchen…)
Nach Wünschen fragen mag ich schon gar nicht mehr, weil ich nicht hören will…“hmmjaaa, eine Dove Seife.“ (aus dem Coop für zwei Franken fünfzig)
ICH würd mir ja kaltblütig ein IPhone 6 wünschen, würde ich nach einem Wunsch gefragt werden. Dabei würd ich beiläufig über mein zersplittertes Display streicheln (du bist nicht cool, wenn dein IPhone 4 noch ganz ist), sofort SEHR besorgt auf meine Hand schauen um sicher zu gehen, dass ich mir am kaputten Glas auch ja keinen Finger abgeschnitten hab, dann, leise seufzend, auf eine App drücken, die dann natürlich mal wieder elend lang hat, bis sie lädt und sich im besten Fall auch sofort wieder aufhängt… Ja, es ist wirklich SO schlimm! Ich muss meinem Lieblingsgadget zusehen, wie es langsam und kämpfend in meinen sorgenden (Hä?) Händen zugrunde geht. Ich weiss genau, dass es mich langsam hasst und im ungünstigsten Moment einfach ausschalten wird. Für immer. Aus Trotz. Aber ich schweife ab.

Das eigentliche Thema unseres Telefonats war der Wintermantel. Mein Wintermantel. Meine WinterMÄNTEL, pardon.
Schnell was zum Wintermantel und mir. Ich handhabe das folgendermassen:

Ich kaufe ihn in optimistisch-kuschliger Stimmung im September (AHH, HERBST! TOLLLL!!)

Oktober (FREUD! SO EIN SCHÖNER MANTEL, SO WINTERLICH UND GEMÜTLICH!!)

November/Dezember (DA SPÄTESTENS FÄNGTS AN)

Januar (DA KANN ICH MEIN MANTELOUTFIT N I C H T MEHR SEHEN UND ICH FÜHL MICH ABGEKÄMPFT UND BLÄÄHHCHHH UND DIESER SCHEISSMANTEL MACHT ALLES NOCH VIEL SCHLIMMER, ICH SCHWÖR).

Februar (DIE VERNICHTUNGSPLÄNE SIND ABGESCHLOSSEN UND DAS ZÜNDHOLZ BRENNT BEREITS).

Im März also spätestens muss ich den Lumpen wegwerfen, ABER PLÖTZLICH! und nie wieder zurückschauen…Und im nächsten September einen neuen kaufen.
Ich würd mal sagen, es wird langsam langweilig. This Year, dachte ich, kaufe ich drei!
Der Plan ist, dass mir, weil ich abwechsle, die Mäntel auch im nächsten Winter noch Freude machen. Und ich mir so, langsam, aber sicher eine ordentliche Mantelgarderobe anlegen kann. Also das hätte schon was.
Meine Grossmutter war Feuer und Flamme für diese Idee und schüttelte, nachdem sie sehr bestimmt den Wunsch äusserte, sich finanziell auch noch an dieser pompösen Mantelgeschichte zu beteiligen, leichtfüssig bereits den zweiten Kracher des Geprächs aus dem Ärmel:

Stoffwechsel, sagte sie, Stoffwechsel ist wichtig.

Mein dumpfes Hirn begann ratternd zu scherbeln und ich wusste, was auch immer ich darauf sage, es wird das ganze Genie dieses Spruchs kaputt machen. Aber man muss ja was sagen, nicht? So am Telefon.
Ich sagte also… Ich hab vergessen, was ich sagte. Aber ich denke, es war etwas in der Art von Oh, wow!! HaHa..WOW! Krass… der ist guut. HA!
Ich hab nach dem telefonieren das einzig Richtige gemacht und bin sofort schlafen gegangen.

Am nächsten Morgen hatte mich der Spruch noch immer nicht losgelassen. Und da ist mir bewusst geworden, dass für mich dieser sogenannte Stoffwechsel auch wichtig geworden ist.
Ich war mein Leben lang berüchtigt, meine drei, vier Lieblingssachen zu tragen, bis sie aber nun wirkich…ähm..nun wirklich…tot waren. Manchmal (meistens), hab ich sie sogar noch darüber hinaus getragen und ich will nicht sagen, dass ich das nicht auch noch heute tun würde, (sorry Grossmuetti :-)), aber ich entdecke langsam den Vorteil einer richtigen Garderobe. Die Sachen gehen nunmal weniger schnell kaputt, wenn man abwechseln kann.
Warum ich für diese Einsicht so lange gebraucht habe? Keine Ahnung.
Ich war früher überhaupt nicht in der Lage, richtig einzukaufen. Viel zu wenig hab ich mich gekannt. Viel zu wenig hab ich gewusst was ich will, was mir steht, auf was ich rauswill. Heutzutage wird nur gekauft, was passt. Und zwar wie angegossen.
Ich mag Kleider, sehr, aber ich will mir, wenn ich sie mal anhabe, keine Gedanken mehr über sie machen. Ich muss mich bloss auf sie verlassen können und damit hat sich’s.

Zurück zum Wintermantel.
Man trägt ja hier von Oktober bis März so einen (oder drei). Kleider geben mir ein gewisses Gefühl, eine Haltung. Ich hab viele Gefühle. Wenn ich mir also ein halbes Jahr ein einziges Gefühl aufzwinge, fühl mich nicht recht, ich dreh durch.
Gefühle, die man unabhängig von Kleidern hat, können sich, bei mir jedenfalls, auch sehr gut auf Kleider übertragen. In so einem Kleidungsstück kann sich also grauslig viel Ballast verfangen, der einem dann monatelang auf den Schultern sitzt, sich um die Brust schnürt und bis zu den Knien hängt. Üble Sache sowas.
Und auch wenn das nicht wirklich zu ihren Geburtstagswünschen gehört, weiss ich doch, wie gern meine Grossmutter die Mäntel sehen würde. Der Winter ist dann aber vielleicht doch zu kurz (HA!), als dass sie mich in allen drei sehen wird. Also hab ich mir gedacht, GIB IHR STOFF!

Der Schwarze (Zara)

Mein Mäntelchen.
Liebe auf den ersten Blick war das. Oh ja!
Reicht knapp über den Hintern und läuft wundervoll A-Linienförmig aus. Er sitzt deswegen nicht wirklich, sondern umschwingt verspielt die Hüften. Sehr unangestrengt, recht cool.
Ich will, dass er niiiieee kaputt geht und ich seh mich jetzt schon jahrelang verzweifelt nach dieser ganz bestimmten Mantelform suchen, sollte er eben doch mal in die Fetzen gehen.

Der Graue (Vero Moda)

Klassische Mantellänge. Gerade aber noch kurz genug, dass er mich nicht zusammenstaucht. Schön tailliert, mit einer grossen brauchbaren Kapuze, ein paar kunstledernen Besätzen und einem schräg angelegten Reissverschluss. Einer, der immer geht. Immer müsst ich ihn aber natürlich nicht haben…

Der Beige (Mango)

Wenn der zum Einsatz kommt, sieht man mir an, dass ich mehrere Mäntel besitze. Das ist jedenfalls das, was wir uns einbilden. Ich und mein Mantel haben dem nichts mehr hinzuzufügen.
Etwas anderes, das ich sehr gerne trage im Moment ist dieses ultimativ kuschlige Mega-Gestrick von Zara und dazu meine Lieblingskette.

Ich wünsche Dir nochmal viel Glück zum Geburtstag, liebs Grossmuetti!
2015 wird’s dann, selbst für mich, eine sehr einfache Rechnung. Mit einem wahrlich irrwitzigen Ergebnis!

GÄÄÄÄLLLL!

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